schneeraben.de - Philosophische Reisevorbereitungen von Thomas H. Jäkel

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Das Skriptorium

 

 

Der Kosovo

von Thomas H. Jäkel

 

 

Ausweglose Situationen sind das Resultat verpasster Gelegenheiten und ein Krieg ist fürwahr der Inbegriff einer ausweglosen Situation. Hätten wir alle die richtige Lösung bei der Hand, so wäre es sicherlich auch nicht soweit gekommen. Aber Farben- oder Steinewerfer tragen genauso wenig zur Lösung eines solchen Konfliktes bei wie Schreihälse, brennende Flaggen und Propaganda. Ja, die Rede ist vom Krieg in Jugoslawien.

 

Wie sich die Bilder doch gleichen: Irak, Afghanistan, Vietnam, Korea und nun der Balkan und selbst die etwas scherzhaft aufgelegten werden sich sogar an das kleine Dorf im besetzten Gallien erinnern, das sich einer absoluten militärischen Übermacht entgegen gesetzt hat. Scherzhaft oder nicht, Großmächte tun sich seit jeher schwer, wenn die Gegenseite bereit ist für eine Idee bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Auch bei Saddam Hussein hat die halbe Welt fest daran geglaubt, dass es nicht zum Krieg kommen würde, denn „so unvernünftig kann doch keiner sein“. Es kam zum Krieg.

 

Und nun steht sie wieder da, die sogenannte internationale Gemeinschaft, und versucht das Unglaubliche durch Moral und die besseren Motive zu rechtfertigen. Die „moralische Mehrheit“ ist kein Garant dafür, dass Recht und Unrecht sauber auseinander gehalten werden und am Ende spielt das auch keine Rolle mehr, denn Menschen sterben und am Ende dieses Jahrtausends haben wir Krieg. Kofi Anan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat zurecht eindringlich an Journalisten plädiert vorbeugend zu berichten und dabei zu helfen, Schaden schon im Vorfeld zu vermeiden. Er hätte diese Nachricht auch gleich an die ganze Menschheit richten können, denn ganz offensichtlich haben ganze Generationen versagt.

 

Richten wir den Blick zurück auf den 28. Juni 1389, als die serbische Niederlage auf dem Amselfeld zur Eingliederung Serbiens ins osmanische Reich führte. Bosnien, Herzegowina und große Teile Montenegros folgten. Nach den Türkenkriegen des 17. bis 19. Jahrhunderts begann 1804 der Freiheitskampf mit dem Heiducken-Aufstand in Belgrad. 1848 kämpfen die Serben dann mit den Österreichern gegen die Ungarn und erst 1878 lösen sich Serbien und Montenegro vom osmanischen Reich und 1882 wird das Königreich Serbien gegründet. 1886 verlieren die Serben den Krieg mit Bulgarien und 1908 annektiert Österreich Bosnien und die Herzegowina. Um 1912/13 sind die Serben mit anderen erfolgreich und vertreiben die Türken aus Europa. Aber 1914 verübte ein serbischer Nationalist den Mord an dem österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo - Auslöser des ersten Weltkrieges. In 1929 errichtet der serbische König Alexander eine Militärdiktatur und ändert den Namen in Königreich Jugoslawien. Doch auch im zweiten Weltkrieg wird Jugoslawien dann von Hitler besetzt und Kämpfe zwischen Serben, Kroaten, Monarchisten und Kommunisten brechen aus. Von 1945 bis 1980 werden alle Gruppen von Marschall Josip Broz-Tito „vereint“, doch nach dessen Tod leben die Unruhen im Kosovo bereits 1981 wieder auf. 1991 verteidigt Slowenien in einem Zehn-Tage-Krieg seine Unabhängigkeit und in Albanien wird die Diktatur gestürzt. Dem folgt von 1992 bis 1995 der Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina und die Serben streben die Errichtung eines großserbischen Staates an. In 1998 flammt dann der Konflikt mit den Kosovo-Albanern auf. Nun stehen die Serben gegen die größte militärische Streitmacht aller Zeiten. Zufall?

 

Wo war die „internationale Gemeinschaft“ in diesen 600 Jahren? Der Balkan ist nicht erst seit kurzem ein überkochender Schmelztiegel, der nicht zur Ruhe kommen wird, solange diese Vergangenheit nicht bewältigt wird. So geboten das Einschreiten der NATO auch im Hinblick auf die grauenvollen Massaker sein möge, so zweifelhaft erscheint es, dass dadurch Probleme gelöst und dauerhafter Frieden hergestellt werden kann. Und selbst wenn die Serben einer internationalen Militärpräsenz zustimmen, was passiert, wenn sich diese Truppen in vielen Jahren dann irgendwann wieder zurück ziehen?

 

Eine Lösung muss gefunden werden und wenn es noch so schmerzlich ist. Dabei sollte sich allmählich die Erkenntnis eingestellt haben, dass Bomben alleine keine Lösung ermöglichen. Unrecht muss nicht zu Recht werden und dem dauerhaften Frieden der Menschen im Balkan darf weder ein vermeintlicher Gesichtsverlust der NATO noch das Selbstwertgefühl der Serben entgegen stehen. Die Lösung auswegloser Situationen erfordert die teilweise Aufgabe eigener Prinzipien, um schlussendlich dem Guten eine Chance zu geben und Kriege endgültig aus dem Repertoire der Geschichte zu verdammen.

 

Wir reden gerne von Globalisierung und Weltgemeinschaft, davon, dass die Welt kleiner geworden ist. Es ist an der Zeit die Probleme dieser Welt zu lösen, bevor sie ausweglos geworden sind. Sobald wir einmal damit begonnen haben, werden wir feststellen, dass nur das tief empfundene Verständnis für andere Kulturen, Ideen, Religionen und Prinzipien zum Respekt vor den Menschen und zum Frieden führen kann. Sollten wir auf diese Frage keine sinnvolle Antwort finden, dann haben wir in 2000 Jahren nicht viel dazu gelernt.