schneeraben.de - Philosophische Reisevorbereitungen von Thomas H. Jäkel
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Das Skriptorium
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Prolog
Gedanken
Gedichte
Realitäten
Surrealitäten
Prolog
Meine Träume und Ideen haben sich über all die Jahre nicht verändert und doch sind viele Dinge anders gekommen, als ich mir das einst vorgestellt hatte. Veränderungen hatten sich lautlos und fast unbemerkt eingeschlichen und das Licht durch Schatten ersetzt, dunkle Wolken, die sich getarnt als Zwänge und Notwendigkeiten in mein Leben drängten und alles unter Beschlag nahmen. So fanden in diesen Jahren nur wenige meiner Gedanken ihren Weg in die Welt des Wortes. Aber auch die Bedeutung des Wortes scheint sich über die Jahre verändert zu haben und in vielen Bereichen unseres Lebens sind Worte zu kläglichen Seitenfüllern und Platzhaltern verkommen. Leider geht diese Entwicklung auch mit einer schleichenden geistigen Verarmung einher, welche sehr beklagenswert ist. Kritische Gespräche oder ein interessanter und anspruchsvoller Schriftwechsel sind inzwischen eher selten geworden und weichen kurzen Nachrichten, die jeder linguistischen Basis zu entbehren scheinen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Menschen nicht mehr viel zu sagen haben.
Worte sind wie Bilder und entfalten ihre wahre Wirkung in der Regel erst in einem Kontext und vor allem in der jeweiligen Komposition. Sie sind Bestandteil unserer Sprache und damit die wesentliche Komponente unserer Kultur. Worte sind nicht nur Kommunikation und Austausch von Information, sondern ein essenzielles Medium komplexer Gefühle und Gedanken. Wer könnte die Kraft und Tiefe eines Mephistopheles leugnen, wenn dieser sich mit Faust im Studierzimmer bespricht und den Leser in eine faszinierende Welt entführt, die weit in die existenziellen Tiefen der menschlichen Seele reicht. Doch muss man nicht den Ansprüchen des Herrn Geheimrats genügen, um sich selbst der eigenen Sprache zu bedienen, sie zu erforschen und zu nutzen.
Das Kapitel „Skriptorium“ unterteilt sich in die Rubriken Gedanken, Gedichte, Realitäten und Surrealitäten und umfasst damit verschiedene Innen- und Außenbeziehungen von Artikeln, die sich mit realen Gegebenheiten befassen, über losgelöste Gedanken bis bin zu surrealen Themen und Träumen. Wie die anderen Kapitel dieser Seite ist auch das Kapitel „Skriptorium“ unfertig und wird über die Jahre weiter ergänzt und vervollständigt. Solange eben, bis die Reisevorbereitungen letztlich abgeschlossen sind und das ganze Buch zu Ende gelebt ist.
Realitäten
Surrealitäten
Geteert und gefedert
von Thomas H. Jäkel
Als König Richard I. im Jahre 1191 zu seinem Kreuzzug nach Jerusalem aufbrach, gab er seinem Heer die Anweisung, dass jedem verurteilten Verbrecher der Kopf geschoren, dieser dann mit Pech übergossen und schließlich gefedert werden sollte. Diese Strafe sollte gleichzeitig auch all den Anderen zur Warnung dienen. So oder so ähnlich muss sich der frühere thailändische Premierminister Thaksin Shinawatra und alle, die ihm nahekommen, fühlen. Zwar ist er natürlich noch nicht verurteilt, geschweige denn offiziell angeklagt, doch wird ihm die Rückkehr in seine Heimat bislang verweigert, sein diplomatischer Pass wurde entzogen und alle Welt wurde darauf hingewiesen, dass er fürderhin als Unperson zu behandeln sei. Nun hat die Regierung in Singapur diese Warnung einfach ignoriert und eine private Einladung für Dr. Thaksin ausgesprochen in deren Verlauf sich dieser dann auch noch mit dem stellvertretenden Premierminister Jayakumar traf. Ganz im Sinne der Politik des Dialogs hat der thailändische Premierminister Surayud Chulanont daher auch schnell ein für Ende Januar geplantes Gespräch mit dem Außenminister Singapurs abgesagt. Nun könnte man sich natürlich fragen, ob der am 19.12.2006 verursachte Zusammenbruch des thailändischen Aktienmarktes SET oder auch die Änderung des Foreign Business Act (FBA) und die damit einhergehende Verunsicherung ausländischer Investoren für sich noch nicht ausreichend waren, so dass man nun auch noch einen offenen Disput mit einem Land wie Singapur vom Zaun brechen oder das Angebot des ehemaligen Premierministers Mahatir aus Malaysia zur Unterstützung bei der Lösung des andauernden Konfliktes im Süden des Landes ablehnen musste. Doch die Nerven liegen ziemlich offen in Bangkok und mehr darf erwartet werden.
Natürlich ist im Grunde nichts so gelaufen, wie sich die Militärregierung das wohl anfangs einmal vorgestellt hatte und die befürchteten subversiven Kräfte sind nun deutlich zu spüren. Auch wenn die wachsende Opposition von offizieller Seite fast ausschließlich dem gestürzten Premierminister angelastet wird, finden sich die Gründe doch eher in den Maßnahmen der Militärregierung selbst. Viele Thailänder hatten sicherlich wenig Verständnis dafür, dass sich die neue Militärregierung bei den Aufständischen im Süden Thailands entschuldigte, obwohl dort jede Woche Menschen durch Bombenanschläge ihr Leben verlieren. In den wenigen Monaten seit der Machtübernahme wurde die Unterstützung für die Landbevölkerung, das 30-Baht-System, das „ein PC für jedes Kind“ Programm und viele andere während der Thaksin-Regierung eingeführte Sozialmaßnahmen in Frage gestellt. Doch als am Sylvesterabend mehrere Bomben die Feierlichkeiten in der Hauptstadt Bangkok frühzeitig beendeten, kroch die Angst ins Volk und die Regierung hatte absolut keine Antworten zu bieten. Auch die derzeit aktuelle Diskussion um die neue Verfassung findet zunehmend kritische Stimmen und wird inzwischen selbst von führenden Akademikern angesehener Universitäten offen als „Witz“ bezeichnet. Dies ist angesichts solch verwegener Ideen wie „der Premierminister muss nicht unbedingt gewählt werden“ auch nicht verwunderlich und die Sorge wächst, dass die neue Verfassung am Volke vorbei entschieden wird. Ansonsten ist die Militärregierung eher untätig, löst anstehende Probleme nicht und beschäftigt sich im Grunde nur mit dem eigenen Ansehen. Doch auch hier kann kein Erfolg verzeichnet werden und die Zufriedenheit mit der Regierung liegt nach einer Umfrage gerade noch bei 48%. Es sieht also nicht gut aus und die notwendigen Ideen zur Lösung der Probleme scheinen gänzlich zu fehlen.
Hatten sich die Medien anfangs noch kooperativ gezeigt, so wurde dies durch die Ankündigung von General Winai Phattiyakul vom Council for National Security schnell zunichte gemacht, als dieser im Januar mitteilte, dass keine Nachrichten und Informationen in Verbindung mit Dr. Thaksin Shinawatra veröffentlicht werden dürften und jede Zuwiderhandlung Strafmaßnahmen nach sich ziehen würde, die auch die Schließung eines Büros zur Folge haben könnten. Ganz im neuen Stil der Regierung wurde diese Drohung zwar innerhalb des üblichen 24 Stunden Rahmens dann von General Sonthi Boonyaratglin wieder relativiert, doch ein später im CNN ausgestrahltes Interview mit Dr. Thaksin wurde vom lokalen Betreiber UBC in vorauseilendem Gehorsam dennoch zensiert und entsprechend ausgeblendet. Der zentrale Punkt der derzeitigen Paranoia ist also der ehemalige Premierminister und dies obwohl Dr. Thaksin mehrfach seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hat. Um diese Angst besser zu verstehen und zu bewerten lohnt sich ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse der letzten Jahre.
Thaksin Sinawatra regierte Thailand von 2001 bis 2006 und war damit ein Novum in der thailändischen Politik. Seine Mehrheit verdankte er einem geschickten und konsequenten Vorgehen, das zu einer Fusion wesentlicher politischer Parteien in die neue Partei Thai Rak Thai führte. Schon bald überzeugte er durch schnelles und effizientes Vorgehen, ging Probleme direkt an und konzentrierte sich vor allem auf die Landbevölkerung, deren Einkommen er durch viele Maßnahmen um bis zu 50% erhöhte. Unter seiner Regierung wurde der neue Flughafen endlich fertig gestellt, eine als 30-Baht bekannte Krankenversorgung für alle Bürger eingerichtet und viele weitere populäre Maßnahmen führten dazu, dass Thaksin Shinawatra beinahe zu einer Kultfigur wurde. Doch wie Ikarus flog er zu hoch, die Sonne schmolz das Wachs seiner Flügel und er stürzte ins Meer. Am 13.01.2006 begann der Medienmogul Sondhi Limthongkul seinen privaten Feldzug gegen seinen früheren Freund und damaligen Premierminister Thaksin Shinawatra, nachdem dieser ein im staatlich kontrollierten Channel 9 ausgestrahltes Programm des Medienmoguls verboten hatte. Diese Vendetta wäre weitgehend ungeachtet geblieben, hätte Thaksin nicht Ende Januar 2006 den Verkauf seiner Anteile an der Shin Corporation Plc an Temasek Holdings bekannt gegeben. Diese Transaktion war mit 73,3 Milliarden Baht der größte Verkauf seiner Art in der Geschichte des Landes, war für Thaksin und dessen Familie auch noch steuerfrei und offenbarte zudem das tatsächliche Vermögen des Premierministers. Eine entsprechende Untersuchung der zuständigen Behörden ergab zwar, dass diese Transaktion den geltenden Gesetzen entsprach, doch bildete sich bereits im Februar des Jahres die People’s Alliance for Democracy (PAD), die sich mit Sondhi Limthongkul als treibende Kraft für den Rücktritt des Premierministers einsetzte. Im Gegensatz dazu stand die thailändische Landbevölkerung fest hinter Thaksin und bestätigte damit ein ungeschriebenes Gesetz thailändischer Politik: die Regierung wird auf dem Lande gewählt und in Bangkok abgesetzt.
Der wachsende politische Druck veranlasste Thaksin dann Neuwahlen für den 02.04.2006 anzuberaumen, nur 1 Jahr also nach den letzten Wahlen im Februar 2005. Die drei anderen führenden Parteien, Prachathipat, Chart Thai und Mahachon, boykottieren diese Neuwahl, da sie ohnehin keine Chance für einen politischen Sieg sahen. Die Wahlen wurden trotz des Boykotts durchgeführt, doch der anhaltende Druck der PAD führte dazu, dass die Wahlkommission bald unfairer Praktiken beschuldigt und ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde. Schon zwei Tage nach der Wahl gibt Thaksin seinen Vorsitz an Chidchai Vanasatidya ab und will sich ins Privatleben zurückziehen. Am 25.04.2006 bittet der König die höchsten Richter des Landes, die Situation abschließend zu klären und am 08.05.2006 annulliert das thailändische Verfassungsgericht die letzte Wahl. Nun meldet sich auch Thaksin wieder zur Arbeit zurück und beschuldigt eine „charismatische Person“ ihn absetzen zu wollen. Am 19.09.2006 wird Thaksin dann noch vor den erneut anberaumten Neuwahlen durch einen von General Sonthi Boonyaratglin geführten Militärputsch abgesetzt und der Council for Democratic Reform (CDR) gegründet. Als Gründe werden Korruption, Teilung der Gesellschaft, Beeinflussung unabhängiger Organisationen, sowie Majestätsbeleidigung angegeben. General Surayud Chulanont a.D. wird als neuer Premierminister ernannt.
Thaksin Shinawatra ist eine tragische Figur, denn er hatte die Seelen der Menschen in Thailand gewonnen, hatte eine solide politische Mehrheit aufgebaut und war mit seinen Maßnahmen dabei, die Lebensbedingungen der Menschen vor allem auf dem Lande nachhaltig zu verbessern. Er beendete seine Laufbahn durch einen selbst verschuldeten politischen Selbstmord und den Verlust der Beziehung zu den Realitäten. So entwickelte er sich zunehmend zum Autokraten, war hypersensibel gegenüber der Presse und besetzte vor allem unzählige Personen mit Angehörigen des eigenen Klans. Verschiedene Eskapaden wie Privatflüge seiner Angehörigen in Flugzeugen der Luftwaffe führten zunehmend zu Kritik. Aber auch seine Praxis geltendes Recht seinen wirtschaftlichen Interessen anzupassen, verschlechterte zunehmend sein Ansehen in der Bevölkerung. Thaksin Shinawatra gelang es in den ersten Jahren seiner Amtszeit seine Machtposition bemerkenswert auszubauen und alle Teile der Politik, Verwaltung und Rechtsprechung unter seinen Einfluss zu bringen. Vor dem Hintergrund seines selbst für asiatische Verhältnisse immensen Vermögens war damit nicht abzusehen, wie diese Machtbasis zu brechen sein könnte und wie weit sich diese Macht noch weiter ausbauen lassen würde. Zudem stand ein großer Teil des Volkes vor allem in den ländlichen Gebieten noch immer ungebrochen hinter ihm und machte ihn daher zur Bedrohung für viele Teile des thailändischen Establishments. Der Verkauf seines Unternehmens, wenngleich in seiner Durchführung rechtmäßig, wurde ihm als unmoralisch, unpatriotisch und sogar als Hochverrat ausgelegt.
Der Fall Thaksin Shinawatra zeigt die Grenzen der Demokratie auf und dies nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der interessante Aspekt an dieser Entwicklung ist, dass sowohl der Verkauf an Temasek, wie auch die Behandlung des Verkaufs als steuerfreie Transaktion, genau so wie andere Maßnahmen im Rahmen geltender Gesetze stattfanden. Die Änderungen des FBA sollen nun manche dieser Lücken im thailändischen Recht füllen. Erschwerend kommt aber hinzu, dass alle Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, seine Beliebtheit in der Landbevölkerung kaum schmälern konnten und eine Neuwahl sicherlich wieder zu einer Wiederwahl geführt hätte. So steht die heutige Militärregierung einem Phänomen gegenüber, denn sie kann die Anhänger von Thaksin nicht auf ihre Seite bringen und die Gegner Thaksins entfernen sich zunehmend von der Regierung, da diese keineswegs demokratische Grundsätze vertritt. Dies ist nicht nur ein verlässliches Rezept für Versagen, sondern auch ein Vorbote für weitere negative Entwicklungen. Die demokratischen Kräfte werden sich verstärken und nach Neuwahlen rufen und die Anhänger Thaksins werden versuchen auch weiterhin eine politische Rolle zu spielen. Neuwahlen können zu einer Verbesserung der Lage führen, wenn die Militärregierung eine Eskalation der Gegensätze vermeiden kann. Doch können Neuwahlen die immanenten Probleme mangelhafter Gesetze und vor allem einer Mentalität nicht ändern, die Korruption zum Teil des täglichen Lebens macht. Systeme bewähren sich in solchen Tagen und das thailändische System zeigt ausreichend Raum für Verbesserungen. Ob die neue Verfassung diese Lücken füllen wird, bleibt zu bezweifeln und ein anderer Premierminister wird es dann verstehen, sich diese Lücken zu eigen zu machen. Doch kann es nicht das geeignete Mittel sein, die Freiheit mit Unfreiheit und Zensur zu erreichen und die Demokratie durch einen Putsch zu fördern. Demokratie lässt sich genau so wenig verordnen wie Moral, denn beide machen einen entsprechenden Rückhalt und eine Einsicht erforderlich, die sich entwickeln und gelebt werden muss. Die nötigen demokratischen Instrumente sind eigentlich vorhanden. Nun fehlt es noch an den Menschen, die sich an die ethischen und moralischen Prinzipien und Regeln der Demokratie halten und nicht nur nach eigenen Interessen und vor allem nach Macht und Reichtum streben. Aber wo ist das schon der Fall?