schneeraben.de - Philosophische Reisevorbereitungen von Thomas H. Jäkel
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Die Pinakothek
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Wie armselig wäre doch die Welt, wenn sich ein Bild mit ein paar intelligenten Zeilen beschreiben lassen würde und ach wie traurig wäre es, wenn ein solches Bild dann auch nur diesen einen Sinn in sich tragen würde, denn all dies würde nur die Kraft dieses einmaligen Ereignisses beschneiden und uns allesamt der Chance entledigen, mehr als nur das Oberflächliche zu erkennen. In der Tat sind Bilder ein Ereignis und nicht nur Öl, Leinwand oder Kohlestriche auf Papier. Genau genommen sind es zwei Ereignisse und beide sind für die Allgemeinheit unsichtbar und nur dem Individuum selbst zugänglich. Vor vielen Jahren verbrachte ich Stunden vor der Komposition VI von Wassily Kandinsky und durfte bereits nach kurzer Zeit feststellen, dass es schlicht unmöglich ist, die Gefühle, Gedanken und Motive dieses Kandinsky nachzuvollziehen, ja nicht einmal zu erahnen. Und doch war das Bild ein Ereignis, da es mir in diesen langen Stunden zu einer geistigen Reise verhalf, mir andere Bilder und Variationen zeigte und mich so in seinem Bann gefangen hielt, dass ich darüber ganz die Zeit vergaß. Ein Phänomen, das mir auch später beim Betrachten der Gemälde von Salvador Dali wieder begegnete.
Andererseits entwickelt ein Bild schon während seiner Entstehung ganz eigene Kräfte, die sich mehr als nur unmittelbar auf den geistigen und seelischen Zustand des Künstlers übertragen. Hier entsteht eine ganz besondere Wechselwirkung zwischen Objekt und Subjekt, die sich langsam aufbaut und mit jedem Punkt, jedem Strich und jeder Schattierung intensiviert, um sich schließlich als Einheit eines surrealen Seins wiederum selbst als Sein zu realisieren. Gerüche, Klänge, Gefühle und Träume manifestieren sich in den Formen und Farben des Bildes und jeder neue Punkt und Strich motiviert den Übergang in eine andere Ebene ohne dabei jemals das eigentlich Existente zu verlassen. In vielen Fällen spielen sogar die sichtbaren Motive des Bildes keine wesentliche Rolle, da sich die Bedeutung des Ereignisses nicht in der Form selbst, sondern in der Komposition und der Gesamtheit widerspiegelt. Wie wollte man als Dritter diesen so intensiven, aber doch absolut subjektiven und privaten Werdungsprozess eines Bildes jemals verstehen oder gar nachvollziehen können? So bleibt dem Betrachter entweder der private Genuss des Bildes oder die unterkühlte und distanzierte Beschreibung handwerklicher Fähigkeiten und der Vergleich stereotyper Merkmale.
Bilder sind in erster Linie dynamische Momentaufnahmen in denen die Form und Komposition eine in Bewegung befindliche Erfahrung zu bewahren sucht. Ein Bild ist daher zunächst immer statisch, ist in sich unbeweglich und ewig. Erst der Betrachter kann dieses Potenzial für sich öffnen und sich mit Hilfe des Bildes selbst in Bewegung setzen. Diese Erfahrung ist in ihrer Natur immer persönlich und muss sich daher in ihrer Subjektivität zwangsweise der objektiven Kritik entziehen, da diese nicht in der Lage ist die Subjektivität des Betrachters oder gar des Künstlers auch nur im Ansatz zu erfassen. Ohne diese so vielschichtige Subjektivität wäre das Bild nur Strich und Punkt, wie eine Wolke am Himmel, die erst durch die Fantasie zu Form und Komposition wird und für kurze Momente Bedeutung in einer vermeintlich bedeutungslosen Welt annimmt.
Meine Bilder sind eben solche Momentaufnahmen meiner Seele, Reisen in andere Ebenen und ein Versuch die Komplexität der Koexistenz von Ich und Sein in Relation zu setzen. Sie sind in diesem Sinne auch nur Mittel zum Zweck und vielleicht ein Anlass für Andere sich für wenige Minuten vom Strom des Alltäglichen abzuwenden, um sich auf sich selbst zu besinnen.
Bilder und Träume
Der Nazarener
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Das Bild entstand in einer Zeit als Gaza wieder einmal unter heftigem Beschuss stand und das Leiden der Menschen, soweit es mich durch die Medien erreichen konnte, unerträglich war. Gleichzeitig schweiften meine Gedanken weiter und erreichten schließlich die Zarenzeit in Russland und unweigerlich konzentrierte sich das Bild auf die Gestalt des Grigori Yefimovich Rasputin. Palästina und die Wunderheilungen des Rasputin mussten zwangsläufig den Nazarener in diesen seltsamen Traum aufnehmen, eine Szene, in der Jesus über die Hügel von Nazaret stürmt, sich vor den Bomben der israelischen Armee in Sicherheit bringt und sich letztlich von diesem Geschehen abwendet. Es ist nicht mehr seine Heimat, nicht mehr der Ort seines Wirkens und außer dem Stab des Petrus und einem alten Raben auf seiner Schulter ist ihm nichts geblieben.
Diese Elemente prägen das Bild. Die Landschaft rund um Nazaret, die Bomben der israelischen Armee über Palästina, die Kleidung eines gläubigen Juden und das Antlitz des Grigori Rasputin.
In gewisser Weise ist es eine Flucht des Jesus aus seiner Heimat, die ihm nach 2000 Jahren fremd und wieder einmal feindlich geworden war. Es sind die Zweifel, die sich in die Welt geschlichen haben und das Wort, welches er den Menschen gegeben hat, bedeutungslos und unbeachtet zurück gelassen haben.
Bangkok 2014
Der Rest des Tages
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Der Tod ist mein persönlicher Schutzheiliger und findet auch in diesem Bild seinen Platz. Der Traum begann mit den ausgetretenen und alten Schuhen, die keinen Besitzer mehr haben. Es waren meine Schuhe, die ich in dieser einsamen Nacht zurückgelassen hatte. Auch der Rahmen hinter den Schuhen zeigt weder ein Bild, noch eine Reflexion und gibt den Blick frei für den langen Weg in die Zukunft. Die langen Beine der Dame verlassen diesen Weg und das Bild und mit ihr verschwinden die Freuden und Leiden dieser Welt. Der Mohr hat nun seine Schuldigkeit getan und sie kann den Ort verlassen.
Der gepflasterte Weg führt ins vermeintlich Endlose, in den Tod, doch mit dem Erscheinen des Horizonts kommt auch wieder Leben in den Rahmen, das All erscheint im Licht und deutet auf eine Zukunft voller Leben, wenn man es nur sehen wollte. In meiner Welt vollendet sich in diesen Träumen die Harmonie, der Gleichklang und die Hoffnung auf eine Existenz ohne Leid und Schmerz, es ist die Abkehr vom Willen und der Weg zurück in das Ganze.
Wir alle werden diesen Moment auf unsere ganz eigene Art erleben, die Schuhe, die uns getragen haben, zurücklassen und uns vom Willen und der Illusion der materiellen Welt verabschieden.
Bangkok 2014
Der Tag vor Weihnachten
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Schon als kleiner Junge waren mir die Weihnachtstage suspekt und mit den Jahren entwickelte sich schon Wochen zuvor ein wahres Grauen vor dieser Zeit, die ich nur mit Streit und Zwietracht in Verbindung bringen konnte. Sobald mir dies möglich war entzog ich mich und verbrachte Weihnachten immer alleine. Das vorliegende Bild erzählt von dieser Zeit, wenn ich in dem kleinen schwäbischen Dorf des Nachts im Schnee alleine durch die leeren Straßen zog, meinen eigenen Schritten im knirschenden Weiß lauschte und immer wieder voller Neid in die direkt an der Straße liegenden und mit warmem Licht erleuchteten Fester blickte.
Nun im Rückblick fand ich dieses Dorf in Patagonien wieder, eingerahmt von mächtigen Bergen und fern meiner Zeit. Auch die Häuser waren nicht mehr schwäbischen Ursprungs, sondern italienisch, denn all dies ist in meinen Träumen so leicht zu erzeugen. Doch die Geborgenheit des Augenblicks, getragen vom Lichte des verschwindenden Tages, war gleich geblieben und meine gewohnten Ängste zerstreuten sich bald.
Zwei Menschen traten in meinen Weg, hielten mich an und prüften mich mit herausfordernden Blicken. Ein seltsames Paar aus verschiedenen Epochen und ungleichen Erwartungen. Es gab keine Worte, nur Blicke und ich ließ mich überreden und folgte den Beiden schließlich. Es war mein letztes Weihnachten und als ich schließlich ermordet wurde, da empfand ich Ruhe und Zufriedenheit.
Bangkok 2014
Die Tochter von Isis
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Die Welt der Träume kennt weder Zeit noch Raum. So befand ich mich irgendwo über dem Nil und folgte seiner endlosen glänzenden Spur durch ein Land, das mir so fremd wie seine Menschen war. Und doch empfand ich beim Anblick der Sanddünen und der Pyramiden inmitten dieses einzigen Nichts eine gewisse Vertrautheit, stille Geborgenheit und vor allem Ruhe. Träume sehen nichts, sie erleben nur und ich fühlte diese Spannung, die über dem kargen Sein der Wüste lag, die Kräfte, die zu mir sprachen und die Gewissheit vor Zeiten bereits einmal hier gewesen zu sein. Ich wusste, dass ich mich an einer Grenze befand. Das Leben war zu meiner einen und der Tod zu meiner anderen Seite.
Die Kraft des Femininen war in diesem Moment allgegenwärtig und wie selbstverständlich erschien Kleopatra, die sich selbst Tochter der Isis nannte, lautlos in meinem Traum. Die Zeit zerbrach in einzelne Teile und all die alten Schriftzeichen wurden aktuelle Realität, brachten Bilder zum Leben, die seit vielen tausenden von Jahren verschwunden schienen. An diesem Punkt löste sich das Traumbild auf und ich war ein Teil der Geschichte geworden.
Das Bild spiegelt diesen Moment wieder, nimmt die Erscheinung des Femininen als Ereignis auf und öffnet den Weg für eine Reise, die mich in ihrer Fülle und ihrer Bedeutung liebevoll aufnahm. Es war das Reich der Toten, des Lebens und des Seins.
Bangkok 2014
Die Gesichter im Spiegel
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Angst ist ein essentieller Bestandteil allen Seins, eine immanente Kraft, die einen großen Teil unseres Handelns und Denkens nachhaltig beeinflusst. Nicht immer jedoch zeigt sie uns ihr wahres Gesicht, den Grund ihres Handelns, sondern schleicht sich heimlich in unsere Gedanken, Gefühle und treibt bisweilen selbst den Körper in absolute Verzweiflung. Erst in unseren Träumen erzählt uns die Angst von ihren Gründen und schildert in mitunter bizarren Bildern surreale Geschichten und Realitäten, die uns am Tage meist verborgen bleiben.
Der Traum führte mich durch ein Haus, dunkle Gänge und schwaches Licht, das aus einer leicht geöffneten Türe fiel. Es war spät in der Nacht. Ich öffnete diese Türe und betrat ein Bad, welches durch einen riesigen Spiegel geprägt wurde. Aber so sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir einfach nicht, mich in diesem Spiegel selbst zu finden. Mit der Zeit wurden die Bilder klarer und vor mir erschien eine attraktive Frau, die traumverloren in die Ferne sah. Ich musterte sie und verlor mich in Gedanken bis ich feststellte, dass der Spiegel lebhafter wurde und nun Wesen zeigte, die mich anstarrten. Es waren zuerst Menschen und ich hatte das Gefühl, dass ich sie alle schon einmal gesehen hatte, irgendwann in der Vergangenheit. Je länger ich jedoch in den Spiegel starrte, je mehr veränderten sich diese Gesichter bis ich schließlich einer Horde von Haifischen in die Augen sah.
Bangkok 2014