schneeraben.de - Philosophische Reisevorbereitungen von Thomas H. Jäkel

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Das Skriptorium

 

 

Quo vadis, Thailand?

von Thomas H. Jäkel

 

 

„Sie haben zu wild gelebt, nun haben sie den Salat!“ Nicht gerade eine motivierende Diagnose die Thailand da nach dem Absturz in die Wirtschaftskrise bescheinigt wurde und so hat man sich zur Sicherheit dann auch ungern aber bereitwillig in die Intensivstation des IMF begeben. Die dort verschriebenen Medikamente und Maßnahmen waren bitter und die Nebenwirkungen der Standardbehandlung haben zu weiteren Komplikationen geführt, die Thailand noch heute zu schaffen machen. Und doch wurde der Patient gerettet und auch während der folgenden Rehabilitation hat sich Thailand zum wahren Musterkind entwickelt. Immer noch angeschlagen und durch deutliche Blessuren gekennzeichnet bewegt sich Thailand heute etwas freier und versucht seine alte Form wieder zu erlangen.

 

Der wirtschaftliche Stern Thailands ist vor über einem Jahr plötzlich abgestürzt und hat sich, wie bei einem Albatros, bei der Landung mehrfach überschlagen. Vermeintlich hat alles mit dem Druck auf die Währung und der daraus folgenden Abwertung begonnen. Aus Malaysia kam auch prompt die Erklärung, die den internationalen Spekulanten die alleinige Schuld an diesem Desaster zugewiesen hat. Denn schließlich wurden hier ja eigentlich gesunde und kräftige Kameraden in den Ruin getrieben. Waren manche anfangs noch geneigt dieser Deutung zu folgen, so musste man bald feststellen, dass die ganze Sache auch noch ansteckend war und in kurzer Zeit die ganze Region und später auch noch den Rest der Welt erfasst hat. Ganz nach Sitte des Landes wurde all dies hier in Thailand zunächst einmal gelassen aufgenommen und die meisten Unternehmer sind davon ausgegangen, dass sich das Land von dieser kurzen Grippe bald erholen wird. Doch es kam wie immer anders. Finanzgesellschaften wurden reihenweise geschlossen, Banken vom Staat übernommen und auch die Industriekonzerne machten mit Riesenverlusten auf sich aufmerksam. Da haben auch die liebevollen Versuche, dem Land in seiner Not durch Spenden unter die Arme zu greifen, nicht mehr geholfen.

 

Nunmehr wild entschlossen der Krise zu trotzen wurde die alte Regierung mit Hilfe abtrünniger Schlangen, so nennt man hier zu Lande die abtrünnigen Abgeordneten, ausgewechselt und eine neue Mannschaft ins Rennen geschickt. Neue Besen kehren gut und so hat die neue Regierung, ausgestattet mit einer eher dünnen Mehrheit, Zuversicht verbreitet, Geld besorgt, Staatshaushalte gekürzt, neue Institutionen ins Leben gerufen, die Privatisierung von Staatsbetrieben geplant und damit begonnen den Großen der Welt Besuche abzustatten. Trotz aller Bemühungen blieb die Währung weiter auf Talfahrt und erreichte schon bald einen historischen Tiefstand. Gefolgt von steigenden Zinsen, Geldknappheit und fallenden Produktionszahlen hat sich auch bald die zweite Welle eingestellt, die weitreichende Entlassungen und Firmenschließungen zur Folge hatte. Guter Rat ist teuer und so haben viele damit begonnen die verbleibenden Überreste des Wohlstands auf dem „Markt der ehemals Reichen“ zu verhökern. Unaufhaltsam machte sich auch die Erkenntnis breit, dass es sich hier wohl nicht um ein kurzfristiges Phänomen handelt und außergewöhnliche Situationen eben auch außergewöhnliche Maßnahmen erfordern. Für die einen bedeutete dies die Einleitung konsequenter Sanierung der Unternehmen. Andere haben die Zeichen der Zeit in anderer Weise gedeutet und sind dazu übergegangen Rechnungen nicht mehr oder nur sehr zögerlich zu bezahlen. Schließlich waren nun alle in dieser Situation und so konnte man auch kaum mehr sein Gesicht verlieren, wenn man schlechte Qualität zu hohen Preisen lieferte oder bestehende Kredite absichtlich nicht mehr bediente. Kaum zu erwähnen, dass auch diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt waren.

 

Die Regierung hat ihren Kurs in bemerkenswerter Weise weiter betrieben. Bislang sind jedoch maßgebliche Veränderungen in vielen Bereichen in der Planung stecken geblieben. Die letzten Gesetzesentwürfe haben sogar die Nationalisten wieder auf den Plan gerufen und alte Ängste geschürt, dass das Land in die Hände der Ausländer fallen könnte - und das ist für Thailänder ja nun eine grausige Vorstellung. Dabei geht es aber wohl weniger um die Angst vor Ausländern, sondern vielmehr um die Panik derer, die nur noch vom Schein vergangener Erfolge leben und den Anforderungen des neuen Marktes nicht mehr gewachsen sind. Schließlich befinden sich unter den größten Schuldnern des Landes auch ausgerechnet diejenigen, die aufgrund ihres Familiennamens bislang noch höchstes Ansehen genießen und die wichtigsten Ämter des Landes bekleiden. Die Einführung des neuen Konkursrechts ist dabei eine glatte Bedrohung und vor allem die Offenbarung der eigenen Besitzverhältnisse würde zum Verlust der Ämter und damit zum Verlust des Ansehens und der eigenen Existenz führen. So ist das hier in Thailand und da nicht sein kann, was nicht sein darf, hat sich die Opposition sofort aufgerafft wieder einmal die Vertrauensfrage zu stellen und, ganz nach amerikanischem Vorbild, gleich die Amtsenthebung des Premierministers gefordert. dass bei der eigens hierfür von der Opposition einberufenen Pressekonferenz kein einziger ausländischer Journalist erschienen ist, zeigt, dass auch andere dieses Vorhaben nicht allzu ernst nehmen.

 

Quo vadis, Thailand? Auch wenn Thailand heute von mannigfaltigen Problemen geplagt wird, so darf bei der Einschätzung der weiteren Entwicklung keinesfalls vergessen werden, dass Thailand über viele Jahre hinweg ein Musterkind der Region war und selbst Skeptiker mit seinen Wachstumszahlen beeindruckt hat. Das politische Gerangel ist aber auch ein weiteres Zeichen für den bereits hohen Grad an demokratischem Verständnis im Lande und ein Garant für wachsende Stabilität. Die heutige Krise ist daher weniger ein Zeichen fehlender wirtschaftlicher und politischer Grundlagen als vielmehr die Notbremse, um weiteres unkontrolliertes und planloses Wachstum zu verhindern. Die jetzige Konsolidierungsphase wird noch geraume Zeit andauern bevor das Land wieder einen stabilen Kurs einschlagen kann. Voreilige Euphorie ist dabei so verfehlt wie übertriebener Pessimismus und Unternehmer müssen langfristig planen und flexibel agieren, um sicher auf den wieder anfahrenden Zug zu kommen.

 

Thailand ist entschlossen sich der Globalisierung zu stellen und sich auch weiterhin zu einem ernsthaften Mitspieler im internationalen Markt zu entwickeln. Jedoch kann dies auch vor dem Hintergrund einer derzeit wieder stabilen Währung und verbesserten Wirtschaftszahlen nicht kurzfristig geschehen. Allein schon die Bewältigung von notleidenden Krediten in Höhe von einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts erfordert Zeit, die eigentlich nicht zur Verfügung steht, da die Wiederbelebung des Inlandsmarktes dringend geboten ist. Allzu optimistische Vorhersagen lassen außer Betracht, dass es mit einer Wiederbelebung des Marktes bei weitem nicht getan ist. Bedingt durch den Preisdruck aus Billiglohnländern kann sich Thailand nur dann erfolgreich behaupten, wenn sich die heimische Industrie verstärkt auf Qualität und hochwertige Produkte konzentriert. Ein Rückzug ist nicht mehr möglich und selbst ein Stillstand hätte fatale Folgen.

 

In vielen Firmen dürfen wir auch überrascht feststellen, dass wieder Wert auf den Kunden gelegt wird und sich die Preise am Markt orientieren. Thailändische Firmen haben damit begonnen sich der Herausforderung zu stellen und geben zum ersten Mal seit vielen Jahren sogar zu, dass Probleme vorhanden sind. Diese Einsicht ist auch die Basis für eine breit angelegte Verbesserung der Unternehmen und vor allem bei den jüngeren Thailändern wird mehr und mehr der Ruf nach mehr Leistungsfähigkeit und Qualität innerhalb des Managements laut. Vielerorts wird dies auch erkannt und wir dürfen erwarten, dass bei der Besetzung von Führungspositionen vermehrt nicht der Familienname, sondern die Qualifikation des Managers entscheidend sein wird. Dabei wird es jede Menge Engpässe geben, da das traditionelle Ausbildungssystem dieser Entwicklung kaum gerecht wird und alte Besitzstände natürlich bis zum Ende verteidigt werden.

 

Das neue Jahr ist für Thailand entscheidend und wird zeigen, ob das Land die Kraft hat sich von überkommenen Gesellschaftsstrukturen zu trennen und sich den Anforderungen eines globalen Weltmarktes zu stellen. Die heutige Bedrohung wird weniger von außen als von innen verursacht und erfordert strukturelle Veränderungen, nicht nur in den Unternehmen. Dies ist in jedem Falle ein schmerzhafter Prozess und verlangt die Einsicht der führenden Schicht des Landes, dass der eigene Wohlstand auf die Dauer nur durch den Wohlstand des ganzen Landes zu sichern ist. Wir sehen diesem Prozess zuversichtlich entgegen, da die wachsende Demokratie und die Liebe der Thailänder zu ihrem Land der Garant für eine positive Entwicklung sind. Dies bedeutet auch, dass Thailand keine westliche Gesellschaft werden, sondern auch weiterhin nach Unabhängigkeit und Anerkennung streben wird. Sollte Thailand eine sinnvolle Antwort auf die Einschränkungen des eigenen Gesellschaftssystems finden, dann wird die Risikofreude, Einsatzbereitschaft und Energie der Thailänder zu einem tragenden Faktor des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Erfolges Thailands werden.